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Wie höre ich Musik? Genauer gefragt, mit was höre ich Musik - und warum.
Ich kenne einige Menschen die locker 5000€ für ihr TV/Kinoerlebnis ausgeben. Das schein in der Gesellschaft akzeptiert zu sein. Wenn ich aber sage das mein Kopfhörer 600€ kostete, und das ist nicht mein Teuerster, dann ernte ich Kopfschütteln. Warum eigentlich?

Ende der 80er war der High-End Markt in voller Blüte. 10.000DM für ein Paar Boxen zu bezahlen war außergewöhnlich aber nicht undenkbar. Mein gesamtes Lehrgeld ging für Hifi-Komponenten drauf. Allesamt gebraucht gekauft. Neu was das Zeug zu teuer. Schließlich hatte ich einen Turm aus Radio, zwei Kassettendecks, einem CD Player, Vorverstärker, Endstufe und einem selbst gebauten Plattenspieler im Zimmer. Umrahmt wurde er von zwei mannshohen Schallwandlertürmen. Mein E-Technik Studium lenkte ich Richtung Datenübertragung, Lichttechnik und Schallübertragung. Meine Semester- und Diplomarbeit waren Lautsprecherboxen mit dreidimensionalem Charakter. Surround war noch nicht erfunden.

Heute habe ich unzählige digitale Dateien auf einem DLNA-Server, eine Kenwood HD-1000 (nur mit besseren Boxen) und einem Kopfhörer Röhrenverstärker. An diesen stecke ich, je nach Laune, entweder meinen Jecklin Float fürs Räumliche, einen Stax für die klassischen Momente, Sennheiser Reference, wenns wummen muss, oder einen Grado, mein Liebling für alles. Mobil höre ich über mein Handy, hier mit Kopfhörern von KZ bestückt.

Kopfhörer

Hier fängt der Spaß an - oder endet er hier? Es ist eine Frage des persönlichen Geschmack. Ich persönlich empfinde Musik über Kopfhörer intensiver als von Lautsprechern wiedergegeben. Doch noch mehr als bei Standboxen ist die richtige Wahl des Kopfhörers entscheidend. Ich habe mich für diese Teile entschieden:

Jecklin Float

Ich weis wie dämlich ich damit aussehe. Irgendwie eher Star-Wars als Headphone. Aber der Klang! Was für eine Bühne. 1971, als der erste Float rauskam, Schrieb die Presse:

"Der Jecklin-Hörer eignet sich demnach zum Einsatz überall dort, wo es auf eine „schonungslose Analyse des Klangbilds" 
ankommt, vor allem also in Rundfunk- und Aufnahmestudios, Diskotheken, Musikschulen usw. Aber auch bei den 
Perfektionisten unter den HiFi-Fans dürfte der Hörer seine Freunde finden."
Das digitale Hifi-Museum schreibt ausführlicher: http://www.hifimuseum.de/der-jecklin-float-1971.html
Ich „schoss“ das Teil auf eBay für sehr kleines Geld. Der zustand war erbärmlich, aber für einen 71er Float ganz normal. Der üppige Schaumstoff hatte sich verhärtet und rieselte zu Staub wenn man ihn berührte und die seitlichen Abdeckplatten waren total oxidiert. Ich nahm den Haufen Elend erst einmal auseinander, reinigte das Gehäuse und alle Kontakte, polierte die Seitenplatten und schnitt aus Audio-Schaumstoff neue Elemente aus. Alles wieder zusammengebaut und der Float sah wieder passabel aus- naja soweit das bei einem Float halt möglich ist :-)
Durch seinen extrem offenen Klang mit sehr weiter Bühne, aber wenig Sub-Bass, setzte ich ihn gerne für akustische Aufnahmen ein.

Stax SR-30

Eigentlich habe ich den SR-30 gekauft weil ich einen Stax haben wollte. So wirklich brauchen tue ich ihn nicht. Er klingt wärmer und voller als der Jecklin, aber auch weniger offen. Mir kommt es vor als ob der Stax seine Stärke bei schnell ansteigenden Amplituden entwickelt. So entwickelt er, ähnlich dem Float, eine gewisse Leichtigkeit die besonders bei klassischen Konzerten sehr angenehm wirkt.

Sennheiser Reference

Die fast eierlegende Wollmichsau. Ob Metal-Orgien, Jazzgedudel oder volles Orchester, der Sennheiser punktet. Ein wenig modifiziert habe ich das Kerlchen schon. Die Ohrpolster sind aus Leder, das Kabel, samt Stecker von Oehlbach und die beiden Treiber wurden ausgemessen.
Klanglich geht der HD-540 sehr weit nach unten. Die Bässe sind etwas stark betont, aber immer klar zu hören. Mittig ist der Klang ein wenig zurück genommen um in den hohen Passagen ordentlich zuzulegen: aber niemals spitz oder scharf.

Grado SR80e Woody

In einem Artikel las ich über modifizierte Grado-Holzgehäuse. Das sah sehr elegant aus und sollte durchaus passabel klingen. Ein Dorf weiter stellte mir ein Drechsler die Holzteile aus Kirsche her. Poliert und gewachst sah das schon mal gut aus. Ein alter SR-60 war schnell besorgt, auseinander gerissen und mit Holz wieder zusammen gesetzt. Der Klang war wirklich passabel - mehr aber nicht. Zischende Höhen, kein Bass, alles dünn und ganz weit weg. In einem anderen Artikel las ich wie man die Holzdrehteile berechnet. Danach erstellte ich mein eigenes Gehäuse, lies es aus Ahorn anfertigen und verbaute die Teile eines SR-80e. Das war ein voller Erfolg! der Kopfhörer vereint ideal die Luftigkeit des Jecklin, den Bass des Sennheiser und bietet eine Bühne von idealer Offenheit. Einen SR80e zu modden macht Spass, ist nicht schwer, sieht elegant aus und bringt klanglich eine Menge. (https://www.head-fi.org/threads/post-your-grado-mods.119314/page-84)

KZ ZS6

Billig-Billig Chinamann. Zufällig las ich diesen Bericht: https://techtest.org/die-kz-zs6-im-test-guenstig-und-gut/ und dachte mir, für 30€ teste ich das mal. Schon direkt aus der Verpackung machten die Teile einen sehr guten Eindruck. Metallgehäuse, saubere Verarbeitung und eine schöne Farbe. Der erste Einsatz erfolgte am Handy. Ich war eindeutig erstaunt. Das ist ein In-Ear? für 30€? aus China? Der klingt so gut wie ein 400€ Shure! Gut ein wenig spitze Höhen, die können stören. Aber der Rest ist eine Wucht. Ein wenig modifiziert habe ich den SZ6. Das Standart-Kabel habe ich durch ein Silberkabel ersetzt. Das hört man zwar nicht wirklich, aber die Kabelgeräusche bei Bewegung sind jetzt geringer. Sehr wichtig fand ich es die Gummipolster zu ersetzten. Ich wählte Teile aus Formschaum. Siehe an, die zischelnden Höhen sind weg, zumindest fast. Der Klang ist noch ausgewogener, räumlicher, aber auch bassig. geworden.

KZ ZN1

Laut Tech-Test einer der ungewöhnlichsten Kopfhörer: https://techtest.org/die-ungewoehnlichsten-in-ears-auf-dem-markt-kz-zn1/ Das scheint der ideale In-Ear für die Reise zu sein. Da ist der Verstärker samt Equalizer schon mit drin. Klanglich wieder voll auf der Höhe. Der Verstärker zaubert aus jedem Handy eine kleine Stereoanlage. Nur der Tragekomfort ist ein Witz. Der Amp baumelt vor der Brust und das Gewicht zieht immer die Stöpsel aus den Ohren. Wer hat sich das ausgedacht? Im Sitzen oder Liegen geht's. Für die Reise im Zug oder im Urlaub ist der ZN1 eine echte Empfehlung. Zum Joggen eher nicht.

Verum Audio 1

https://www.verum-audio.com/
Wer hat von diesen Kopfhörern schon gehört? Niemand? Schämt euch. Ihr verpasst was. Wir befinden uns mit dem Verum1 in der 350€-Klasse. Da tummeln sich unendlich viele absolut hörenswerte Vertreter ihrer Klasse. Ich aber sage, die Verum spielen akustisch in der 1000€-Klasse locker mit! Der Verum 1 ist ein lupenreiner Elektrostat, mit Stab-Magneten auf beiden Seiten. Spezifikationen: 82-mm-Membran aus 8-um-Mylarfolie, 96 dB Empfindlichkeit, 470 Gramm, 12 Ohm

Verarbeitung

Gut, das Teil ist ein Charakterspieler. Das fängt beim Gehäuse an. Es handelt sich nicht um Echtholz-Schalen, er ist aus Plastik mit Holzimitat-Design. An den Kanten und bei der Lackierung hätte der Hersteller etwas sauberer arbeiten können. Auch wenn man bedenkt, dass der komplette Kopfhörer von einer Person aus der Ukraine in Handarbeit hergestellt wird. Die Verstellung der Bügle ist auch anders als man es erwartet. Um das Teil an größere oder kleinere Schädel anzupassen, müssen zwei Rändelschrauben gelöst, das Kopfband umgebastelt und dann wieder verschraubt werden.

Tragekomfort

Auch wenn der Verum fast ein Pfund wiegt, ist er auch nach Stunden super bequem. Die Ohrpolster sind riesig, weich und angenehm zu tragen. Das Kopfband ist breit und passt sich exzellent der Kopfform an. Die Kabel sitzen an ungewöhnlicher Position. Doch zusammen mit den Winkelsteckern, finde ich die technische Lösung fast perfekt.

Klang

Mir fallen tausend Menschen ein für die der Verum nicht geeignet ist, denn er klingt unaufgeregt, ja sogar entspannt. Selten habe ich mich unter Kopfhörers so nahe eine Live-Erlebnis gefühlt. Der räumliche Eindruck ist grandios. Die Bühne spielt vor dem Kopf und ist so breit wie ein Orchestersaal. Die Bässe sind genauso wie das Instrument es vorgibt. Ein Chello klingt erdig, hölzern, ein Frettless E-Bass wuchtig und ein wenig brummelig. Singt ein Bariton, hört man jede Bewegung des Brustkorbs. Nur bei elektronischn sub-Bass Orgien fehlt der übermächtige Druck, aber nie klingt es undefiniert.
Die Mitten sind so genial unauffällig, das man jubeln könnte. Die Höhen fallen ein wenig ab, aber schaut eich den Graph an, nicht wirklich dramatisch. Ich habe selten einen so linearen aber trotzdem audiophilen Kopfhörer genossen wie den Verum 1. Dieser Kopfhörer repräsentiert den Spirit High-end auf das Feinste. (verum-one-measurements.pdf) Noch ein Wort zur Verwendung in eurer Hifi-Ankage: Der Kopfhörer verhält sich eher wie ein Lautsprecher, denn ein Headphone. Beim Höre via Handy kommt uns das zugute. Die Treiber brauen sehr wenig Energie. Anders sieht es mit vielen Röhrenverstärker aus. Sie kommen mit niederohmigen Endgeräten nicht klar. Das schließt sie sozusagen kurz und es kommt zu Verzerrungen.

Blon B7

Schon wieder so eine Asien-Schleuder? Obacht! Auch Sennheiser lässt in China produzieren. Meine Grados hatten sich ziemlich final verabschiedet. Nach ca. 8 Jahren brach der Kunststoff - nein, er zerbröselte. Also musste Ersatz her.
In YouTube fand ich einen etwas verwirrenden Bericht über einen Headphone von Blon. Der soll, für unter 100 Dollar, legendär gut sein. Was soll ich sagen, ich habe sie mir gekauft und bin zufrieden.

Die Verarbeitung

sowohl die Materialien, als auch die handwerkliche Kunst ist überaus genial. Die Teile sind wunderschön, mit ihrem Holzgehäuse und Druckguss-Alu Bügel. Sogar das Leder stammt von einer Ziege und nicht vom Vinyl-Tierchen. Alle Gelenke sehen stabil aus und laufen ohne Spiel oder Hakeleien. Selbst das Kabel ist von erstaunlich guter Qualität.

Der Klang

Bleiben wir in unserer Erwartung in der 100$-Klasse. Hier können wir erwarten, dass der Bass Druck hat, die Mitten differenziert klingen und die Höhen nicht an den Nerven kratzen. Hier liefer der B7 auf voller Linie.
Doch selbst bei höheren Ansprüchen, wie Räumlichkeit, Klarheit, „luftiger Klang“ und Definierbarkeit, punktet der B7 mit Bravour.
Mein Fazit nach über einem Jahr: Der Blon B7 ist in seiner Preisklasse (ich zahlte 69$) meines Erachtens nicht zu schlagen. Ich hatte schon etliche 200 € Teile auf den Ohren, die nicht ansatzweise den B7 das Wasser reichen können. Als Headphone fürs Handy, oder PC liefert das Teil großartig ab. Extra einen 400 € Tube-Amp für die Dinger zu besorgen, um das ganz große Wunder zu erwarten, ist eher über das Ziel hinaus geschossen.

KZ PR1 PRO

Ein In-Ear Elektrostat? Und dann noch vom Chinese? Für deutlich unter 100€? Nenenene…. DOCH!

Die Verarbeitung

Es gibt nichts auszusetzen. Beide Gehäuseseiten sind aus passgenauen Kunststoff-Schalen, oben metallisiert. Die winzigen Anschlüsse sind vergoldet. Das Kabel ist versilbert und sauber geflochten. Auch der 3,5 er Stecker macht eine gute Figur. Die Earpads bestehen aus Schaum und passen sich an mein Ohr an wie man es erwarten kann. Bisher kein Burner, aber auch kein Showstopper. Insgesamt passt bisher meine Erwartung zum Preis.

Der Klang

Der erste Eindruck hat mich schlichtweg umgehauen! Kalt aus der Packung, ohne Einbrennen, am Laptop. Also wirklich keine ideale Voraussetzungen.
Miles Davis Tutu habe ich via Inear noch nie ansatzweise auf so großer Bühne gehört. Die Trompete klingt wie angenagelt mitten auf dem Parkett. Das Keyboard scheint 10 Meter lang zu sein. Der Bass steht ein Schritt hinter Miles. So klar und sauber.
Al Di Meola's mediterraner Sonnentanz wächst dir mehrere Meter aus den Ohren. Du meinst die Gitarre links von dir anfassen zu können. Doch den Vogel schießt Eberhard Weber ab. Seine Live-Version von My favorite Things aus Avignion Der gezupfte Bass ist klar, präzise und bewegt sich kein Jota. Setzt er den Bogen ein, springt das Instrument förmlich auf dich zu, nur um dann langsam nach ganz hinten zu verschwinden.
Lassen wir es Krachen: Brother Jam von Gabor Vermes. Bääääm! Drei Meter Gänsehaut! Die Slaps knallen, aber zischen nicht. Sie kommen Staubtrocken direkt aus dem Amp ins Ohr. Die Basedrum geht ziemlich in den Keller, aber niemals unpräzise. Michael Mannings ist echt schwere Kost. Sein Stück Helios zeigt die komplette Bandbreite was ein E-Bass leisten kann. Auch hier weis der PR1 zu glänzen. Die dicke D-Seite kommt so klar rüber, das du sie schwingen hören kannst. Jede Oberwelle kommt genau so an wie sie live zu hören wäre.
Jetzt etwas Mainstream. Mister Jamiroquai singt sein Cosmic Girl mitten zwischen die Ohren. Dagegen liegt der Chor weit außerhalb des Kopfes. Der Sub-Bass lastige Stuart Zender setzt sein Fundament über die ganze Breit der Bühne. Als ich Another Way to Die auflegte (White/Keys) kam der Inear an seine Grenzen. Der synthetische Bass klang leicht angestrengt, Frau Keys hingegen kristallklar.
Letzte Probe: Grunge/Metal. Fangen wir mit Rage against the Machine an - Bombtrack. Auch hier muss sich der Treiber im Kopfhörer strecken. Die harten Bässe passen nicht zur Zacks klaren Stimme.

Fazit

Ich habe selten so genial akustische Musik gehört. Aber auch alle Art von verstärkten Instrumenten klingen so live wie man es kaum glauben mag. Abstriche mache ich bei sysnthetischer Musik. Die Teile sind keine Deep-Bass Wunder und taugen daher auch nicht für übertriebene Bass-Orgien. Also Daumen hoch, wenn Musik klingen soll wie der Musiker sie gespielt hat. Daumen so lala, für Mucke aus dem Rechner.